PathosUniPotsdam

Sprech-/Schluckstörungen

Dysphagie

Indikationsschlüssel: SC1


Definition

Eine Dysphagie ist eine Schluckstörung, beeinträchtigt also die Fähigkeit Boli wie Speisen und Getränke oder Speichel vom Mund in den Verdauungstrakt zu befördern, ohne dabei die Atemwege zu gefährden. Es können eine oder mehrere Komponenten des gesamten Schluckaktes Defizite aufweisen, die einer ausreichenden sowie sicheren Nahrungsaufnahme im Weg stehen. Die Ursache von Dysphagien ist breit gefächert und tritt bei Menschen jeglicher Altersgruppen, gehäuft jedoch bei zunehmendem Alter auf. Schluckstörungen können als Resultat verschiedenster Grunderkrankungen auftreten.

Ätiologie

Folgen

Folgen können Mangelernährung (=Malnutrition) und Austrocknung (=Dehydratation) sowie Penetrationen (=der Bolus/Speichel gelangt bis zur Glottisebene) oder Aspirationen (=der Bolus gelangt bis hinter die Glottis). Bei einer sogenannten „stillen Aspiration“ bleiben Schutzreflexe wie Husten oder Würgen aus. Eine Aspirationspneumonie (=Lungenentzündung) kann unter Umständen tödlich enden.

Teufelskreis: Dysphagie <> Mangelernährung <> Muskelabbau

Leitsymptomatik

Als klinische Prädikatoren einer Dysphagie gelten die folgenden Symptome:

Dysphagien führen zur funktionellen und / oder strukturellen Schädigung des Schluckaktes in der oralen, pharyngealen und / oder ösophagealen Phase.

PHYSIOLOGIE DES SCHLUCKENS

Branching Schluckanatomie

Physiologisches Schlucken:

Die Krux des Schluckens ist die Überkreuzung des Nahrungs- und Atemwegs, weshalb zweiterer vor dem Eindringen von Nahrung oder Speichel geschützt werden muss.

Schluckphasen:

Branching Schluckphasen

PATHOPHYSIOLOGIE DES SCHLUCKENS

Schutzmechanismen:

Schutzreflexe:

Leaking: vorzeitiges Abgleiten des Bolus

Drooling: Speichelfluss aus dem Mund

Penetration: Bei der Penetration gelangt Speichel oder Nahrung unterhalb der Epiglottis bis zur supraglottischen Ebene der Stimmlippen.

Aspiration: Bei der Aspiration gelangt Speichel oder Nahrung in den Bereich der Glottis bis hinein in den subglottischen Raum.

Differentialdiagnostik

Begleitend können Dysarthrophonien (=Sprechstörungen) und / oder Dysphonien (=Stimmstörungen) auftreten, sollten jedoch differentialdiagnostisch abgegrenzt werden.

Diagnostik

Die Dysphagiediagnostik dient der

Folgende Warnsignale (“Red Flags”) deuten auf eine vorliegende Dysphagie hin

Branching husten und prusten

GUSS

Der Gugging Swallowing Screen (GUSS) von Trapl et al. (2007) ist selbst mit schwer betroffenen Patienten, z.B. in der (Post)Akutphase eines Schlaganfalls leicht durchzuführen. Bei diesem und anderen Screeningverfahren stellt das primäre Ziel dar, die Notwendigkeit einer weiteren, ggf. instrumentellen Untersuchung abzuklären (“pass / fail”). Im Gegensatz zu anderen Verfahren wird beim GUSS das Aspirationsrisiko nicht nur durch Gabe von flüssigen, sondern ebenfalls breiigen und festen Konsistenzen ermittelt. Der GUSS weist mit ca. 50% eine mittelmäßige Spezifität, jedoch mit ca. 100% eine hohe Sensitivität auf.

Das Screening besteht aus drei Teilen:

1. Voruntersuchung / indirekter Schluckversuch → ja (1) vs. nein (0)

2. Direkter Schluckversuch → breiig vs. flüssig vs. fest

3. Evaluation

Die Summe der vier Untertests, in welchen jeweils bis zu 5 Punkte erreicht werden können, gibt Auskunft über den Schweregrad der Dysphagie. Bei Erreichen von 20 Punkten liegt keine, bei 15-19 Punkten eine leichtgradige, mit 10-14 Punkten eine mittelgradige und bei 0-9 Punkten eine hochgradige Schluckstörung vor. Desweiteren kann aus den GUSS-Ergebnissen eine Kostempfehlung abgeleitet werden.

KLINISCHE SCHLUCKUNTERSUCHUNG

Die klinische Schluckuntersuchung (KSU) ermöglicht die Evaluation des Schluckstatus eines Patienten unter Verwendung schluckbezogener und nicht schluckbezogener Anteile. Sie liefert Hypothesen bezüglich der Pathophysiologie des Schluckens, ersetzt jedoch keine der Visualisierung dienenden instrumentellen Diagnostikinstrumente.

Ziele:

Bausteine:

Branching Schluckversuch

Therapie

Die Therapiemaßnahmen einer Dysphagie leiten sich aus dem zugrundeliegenden Störungsbild und Schweregrad ab. Therapieziele jeglicher Art sollten möglichst “SMART” (Specific - Measurable - Achievable - Reasonable - Time Bound) formuliert werden.

Mögliche Therapieziele wären folgende:

Branching gemeinsam essen - ein kulinarisches und soziales Erlebnis

Prinzipen des motorischen Lernens innerhalb der Dysphagietherapie:

Therapieansätze bei Dysphagie

Branching Kieferkontrollgriff

Bausteine restituierender Dysphagietherapie:

F.O.T.T.

Die Fazio-orale-Trakt-Therapie liegt dem Bobath-Konzept (krankengymnastisches Pflegekonzept von 1943 mit der Grundannahme eine Spastik bilde sich in Abhängigkeit von der Lagerung und Stellung des Körpers aus) zugrunde. Sie wirkt restituierend und eignet sich für die Behandlung von Klienten mit neurogenen Störungen der Mimik, oralen Bewegungen, Atmung, Stimme, des Sprechens und der Nahrungsaufnahme aufgrund erworbener Hirnschädigungen. Die F.O.T.T. erweist sich als wirksame “24-Stunden-Behandlung” bei bewusstseinsgestörten oder kognitiv schwer beeinträchtigten Patienten.

THERAPIE NACH CASTILLO MORALES

Das neurophysiologische Therapiekonzept nach Castillo Morales ist geeignet für Kinder, insbesondere mit Down-Syndrom und Erwachsene mit kommunikativen, sensomotorischen und orofazialen Störungen. Es umfasst ausschließlich restituierende Übungen.

Bausteine sensomotorischer (funktioneller) Dysphagietherapie:

FDT

Die funktionelle Dysphagietherapie (FDT) vereint sowohl restituierende, als auch kompensatorische und adaptive Therapieansätze zu einem funktions- und problemorientieren Interventionsprogramm. Die Methodenwahl orientiert sich an der “evidence-based medicine”, also nachgewiesener Wirksamkeit.

Mögliche Übungen (nach Hotzenköcherle):

ÜBERSICHT THERAPEUTISCHER INTERVENTIONEN:

Dysphagie-Merkblatt für Therapeuten nach Alexander Fillbrandt

Quellen